In unserem Format: nwtn Essentials – Der Talk hat sich Leif Ullmann das Goldfisch-Theorem vorgeknöpft.
Was in aller Welt ist das Goldfisch-Theorem?
Das Goldfisch-Theorem ist einer der beliebtesten und leider inflationär verwendeten Einstiege in Vorträgen und Präsentationen in der digitalen Marketingbubble. Es besagt, dass die Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen nur noch bei maximal 8 Sekunden liegt und damit die eines Goldfisches (9 Sekunden) im Laufe der Jahre unterschritten hat. Sie dient den Referierenden als Beleg, dass Content und Informationsvermittlung immer kürzer, schneller und direkter sein muss, um ja nicht die User:innen zu verlieren.
Aber der Trend zur Kürze ist doch da, auch ohne Goldfisch!?
Ganz klar: es gibt einfach viel mehr Bühnen für kurze Content-Formate. Wir dürfen jedoch nicht Kurzform mit Verkürzen verwechseln. Wer was zu erzählen hat, muss sich nämlich nicht kurz halten. Oder anders herum: Auch lange Formate können kurzweilig sein. Und wenn nicht, ist man auch schon zu Zeiten von Bild, BamS und Glotze vorm Fernseher eingepennt. Wer in der Kürze aber das Panazee des Content-Marketing sieht, wird keine großen Sprünge machen, vor allem nicht den ins Erinnerungsvermögen der Konsument:innen.
Wie sollen wir uns also gegen den Goldfisch behaupten?
Indem wir wieder mehr übers Aquarium hinausdenken und -wachsen. Für den Goldfisch mag es die ganze Welt sein, mit Marken und Unternehmen müssen wir raus aufs Meer. Von Purpose bis Produktinnovation: Die Fragen der Konsument:innen an Marken und Unternehmen, oder die der eigenen Mitarbeitenden, werden vielfältiger, die Antworten komplexer. Klar gibt es kreative Kurzformen, die auch komplexe Themen in wenigen Sekunden vermitteln. Auf TikTok und Insta sehen wir das jeden Tag. (Leider viel zu selten brand- oder corporateborn) Diese Assets braucht es sogar zwingend. Als Teaser, first contact oder einfach zur Unterhaltung. Die Diggin Deeper-Form brauchen wir aber genauso nötig.
Stichwort Diggin Deeper: Und wie groß ist nun die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen wirklich?
Wir sind in der Lage ganze Serien an einem Wochenende zu bingen, Podcasts sind zum 90-Minuten-Format avanciert und Talkshows wie Markus Lanz boomen, weil hier gerade nicht alles in 30-Sekunden-Statements gequetscht wird. Es scheint also, als könnten wir ne ganze Weile durchhalten. Was übrigens auch für den Goldfisch gilt. Studien sagen, dass diese sich teilweise noch bis zu zwei Jahre an Stellen erinnern, an denen sie Futter fanden. Das beweist also, dass Aufmerksamkeit und Relevanz korrelieren – und zeigt, dass das Goldfisch Theorem eher Quatsch ist. Oder schlichtweg Opfer einer Verkürzung geworden ist…